Eine Ära geht zu Ende. Christine Fendt verabschiedete sich am 11. Mai 2012 von den Löwen. An ihrem letzten Arbeitstag im Jugendinternat des TSV 1860 sagte sie offiziell Servus und nahm beim Weißwurstfrühstück in der Internatsküche gleich mehrere Blumensträuße in Empfang.
Neben Geschäftsschäfer Robert Schäfer, der sich für den jahrelangen und herzlichen Einsatz bei ihr bedankte, schaute als Überraschungsgast auch Kevin Volland vorbei. Der 19-Jährige wohnte ebenfalls drei Jahre bei Frau Fendt und ließ es sich nicht nehmen, persönlich Tschüss zu sagen.
Mit Wehmut denkt die 58-Jährige an die neun Jahre zurück, in denen sie die hoffnungsvollen Löwen-Talente bemutterte und bekochte, freut sich aber jetzt auf ihr neues Heim in Altenmünster und auf ihre eigenen Kinder sowie Enkel.
Christine Fendt erinnert sich noch gut an ihren Einzug ins Löwen-Internat: „Ich hatte ein Gespräch mit Geschäftsführer Detlef Romeiko. Er hat zu mir gesagt, dass ich für die Jungs kochen soll.“ Sie hegte Zweifel, ob sie das überhaupt kann. „Ich hatte das noch nie gemacht. Plötzlich sollte ich für 20 bis 30 Leute kochen.“Sie sagte zu und war seit der Eröffnung 2003 für die Betreuung der Nachwuchstalente verantwortlich. Seither waren die Fendts quasi eine echte Löwen-Familie. Denn ihr Mann Wolfgang arbeitete bereits seit 2000 als Zeugwart bei den Profis.
In den neun Jahren im Nachwuchsleistungszentrum hat Christine Fendt viel erlebt, rund 100 Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren versorgt. Zu den ersten, die ins Jugendinternat einzogen, gehörten Julian Baumgartlinger, Alexander Eberlein und Julian Ratei. Von der heutigen Profi-Mannschaft wohnten Dominik Stahl, Kevin Volland und Basti Maier über dem Fanshop an der Grünwalder Straße.
Besonders schön war die Anfangszeit: „Wir haben sehr familiär zusammen gelebt. Da war die Beziehung intensiver als zuletzt. Wir haben alle gemeinsam gegessen, oder Ausflüge gemacht.“
Auch der Tagesablauf hat sich in den Jahren für Christine Fendt geändert. Machte sie zu Beginn noch das Frühstück für die 14 Internatsbewohner, übernahm später ein Zivildienstleistender die „Frühschicht“. Derzeit fällt dieser Part Nico Karger zu. Der A-Junior leistet im Jugendinternat ein soziales Jahr ab und reiht sich damit in einen illustren Kreis ein: Marcel Schäfer, Stefan Aigner, Jörg Ziegenbein, Manuel Schäffler und Vitus Eicher – sie alle unterstützten Christine Fendt. „Der erste war Christoph Burkhard“, erzählt sie. Auch Peniel Mlapa begann seinen Zivildienst im Jugendinternat, musste dann aber abbrechen, weil er zu Bundesligist 1899 Hoffenheim wechselte. „Für die Jungs im Internat war das natürlich interessant, wenn der Zivi schon bei den Profis trainiert oder sogar gespielt hat.“
Immer noch schaut der ein oder andere Ehemalige bei Christine Fendt vorbei. „Kürzlich war Julian Baumgartlinger da und Marcel Maurer hat uns besucht.“ Der in Hamburg lebende Sohn von Cheftrainer Reiner Maurer absolvierte ab 2005 seinen Ersatzdienst an der Grünwalder Straße 114.
Jetzt, kurz vor dem Auszug aus dem Internat, herrscht Routine im Tagesablauf von Christine Fendt. Nach wie vor spricht sie meist in der Gegenwart, wenn sie von ihrer Arbeit im Jugendinternat erzählt. „Tausend Kleinigkeiten hängen an mir. Deshalb ist ein gutes Organisationstalent für diese Arbeit wichtig“, beschreibt sie das Anforderungsprofil ihrer Tätigkeit. „Außerdem sollte man flexibel sein und sich mit dem Verein identifizieren. Das macht vieles leichter!“
Als besonders „chaotisch“ bezeichnete Christine Fendt die Ferienzeiten, „weil dann die Trainingszeiten variieren“ – und damit die Essenszeiten. An den Wochenenden müssen sich die Jungs, die nicht nach Hause fahren oder auswärts spielen, selbst versorgen. „Wir haben einen Gefrierschrank mit Tiefkühlmenüs. Da kann sich dann jeder selbst etwas warm machen.“
Auch in Sachen Nachtruhe vertrauten die Fendts, die beide im Internat wohnten, auf die Eigendisziplin ihrer Nachwuchsspieler „Es gibt keine Kontrollen, aber wenn nach 23 Uhr noch Remmi-Demmi war, dann sind wir schon rüber und haben was gesagt“, so die „Chefin“ in ihrer direkten Art, die sich immer in der Verantwortung gegenüber den Eltern gesehen hat.
Auch Vize-Präsdient Wolfgang Hauner, der den Weggang von Christine Fendt bedauert, war bereits einen Tag zuvor mit Blumen und einem Porzellan-Löwen erschienen. „Wir konnten immer gut punkten, weil die Eltern wussten, dass ihre Kinder bei uns im Internat gut aufgehoben sind“, strich der 50-Jährige nochmals die Verdienste der Hauswirtschafterin hervor. Aber auch er konnte sie nicht zum Umdenken bewegen. Das fertig gestellte Eigenheim in ihrem Heimatort Altenmünster bei Zusmarshausen wartet auf sie. „Da habe ich meine Beschäftigung. Der Außenbereich muss noch angelegt werden. Außerdem lebt dort unsere Familie.“ Die Tochter und der Sohn sowie die drei Enkellinnen. „Die werden dann wohl jeden Tag kommen. Nach München war der Weg meistens doch zu weit.“
Aus der Welt ist Christine Fendt trotzdem nicht. „Ich werde ab und zu vorbeischauen“, sagt sie. Nicht zuletzt ist ihr Mann „Wolfi“ weiterhin als Zeugwart der 1860-Profis im Einsatz. „Der muss noch zwei, drei Jahre ‚schaffen’“, erzählt sie mit einem Augenzwinkern und fügt rückblickend hinzu: „Es war schon eine schöne Zeit. Wir haben ja hier alles mit ein- und hergerichtet.