15.06.2005 - Ohne wirkliche Niederlage schied die U17 des TSV 1860 nach großem Kampf und begeisternder Leistung aus der Endrunde der Deutschen B-Juniorenmeisterschaft aus. Dem 1:1 im Hinspiel des Viertelfinales folgte im Rückspiel beim VfB Stuttgart ein bitteres 1:1 und danach ein unglückliches 4:5 im Elfmeter-Duell.
Selten hatte ein Junglöwenteam eine Nachwuchsmannschaft des VfB Stuttgart so chancenlos gelassen wie die Schellenberg-U17 am Dienstagabend im Robert-Schlienz-Stadion. Vor einer, für VfB-Verhältnisse, enttäuschenden Kulisse von knapp 500 Besuchern, fanden die Hausherren nie ins Spiel und hatten es ausschließlich dem Glück zuzuschreiben, dass sie das Halbfinale erreichten.
Die Löwen begannen mit exakt der Aufstellung, mit der sie das Hinspiel beendet hatten und hatten schon nach zwei Minuten eine sehr gute Möglichkeit zur Führung. Savio Nsereko profitierte dabei von einer indirekten, zu recht aber nicht angezeigten Abseitsstellung von Alexander Eberlein, brachte das Leder jedoch nicht um den Oberkörper von VfB-Keeper Sven Ulreich. In den ersten zehn Minuten stand zunächst der Referee im Blickfeld nachdem er wegen absoluter Nichtigkeiten dreimal Gelb zückte und früh zur Verunsicherung beider Deckungsreihen beitrug. Dabei hatte er sich ganz offensichtlich Löwenverteidiger Julian Baumgartlinger ausgeschaut, dem er zunächst jeden Gegnerkontakt abpfiff, unberechtigt mit Gelb bedachte und nach einem Foul gegen den Gästespieler sogar unverhohlen ankündigte, ihn beim nächsten Zweikampf vom Feld zu schicken. Löwencoach Schellenberg blieb keine andere Wahl als sofort zu reagieren. Dem Spiel der Gäste tat der frühe Spielerwechsel aber keinen Abbruch - ganz im Gegenteil. Nach knapp einer Viertelstunde hatten abermals die Löwen eine Chance. Doch Alexander Eberlein setzte einen Freistoß aus rund 18 Metern zentral knapp daneben. Die Heimelf kam ihrerseits überhaupt nicht ins Spiel und offenbarte insbesondere beim Spielaufbau und im Direktpassspiel unbekannte Schwächen. So dauerte es bis zur 27. Minute ehe der VfB erstmals gefährlich im Gäste-Strafraum agierte. Sven Bender trat dabei gegen Andreas Grimmer so ungeschickt in Erscheinung, dass der Unparteiische auf den ominösen Punkt zeigte. Doch Andreas Rössl wehrte den von Tobias Feisthammer geschossenen Foulelfmeter bravourös ab und hielt die Löwen in der Meisterschaft. Fünf Minuten vor dem Pausenpfiff wurde Savio Nsereko elfmeterverdächtig im Sechzehner von den Beinen geholt, doch der auch von den VfB-Zuschauern hinter der Sechzgerbank erwartete Elfmeter blieb unverständlicherweise aus. Kurz vor dem Wechsel beinahe doch noch die Löwenführung, aber Alexander Eberleins Schuss zentral von der Strafraummarkierung wurde im letzten Moment noch zur Ecke abgelockt.
Nach dem Wechsel hatte es für einige wenige Minuten den Anschein, dass der VfB nun besser ins Spiel fände, doch erneut waren es die Gäste, die durch Timo Gebhart (50.) die erste Chance hatten. Vier Minuten später war es Savio Nsereko, der - deutlich verbessert gegenüber dem Hinspiel, Michael Schick bediente, doch dieser hob das Leder nicht nur über den Keeper sondern auch knapp über die Querlatte. 60 Sekunden später dann doch der Jubel der Löwen. Alexander Eberlein hatte von der rechten Außenlinie aus rund 25 Metern Entfernung zur Torauslinie einen Freistoß hoch hereingegeben. Überraschenderweise glitt U17-Nationaltorhüter Sven Ulreich das Leder gänzlich unbedrängt aus den Händen und fiel Dominik Stahl vor die Beine. Der Junglöwe hatte aus knapp sechs Metern keine Mühe, den Ball über die Linie zu befördern. Jetzt roch es förmlich nach einer Sensation. VfB-Trainer Frank Leicht wurde in seiner Coachingzone von Minute zu Minute blasser und ruhiger nachdem sein Team überhaupt kein Mittel fand, den Löwen gefährlich zu werden. Nur selten erreichten die Pässe die Strafraumgrenze und wenn, waren die Löwen stets Zweikampfsieger. Wie blank die Nerven der Heimelf lagen, bewiesen zwei unschöne Aktionen als Jose-Alex Ikeng sich zu einen Nachtreten hinreißen lies und Telmo Teixeiro-Rebelo mit einer Spuckattacke hinter dem Rücken des Unparteiischen ungestraft davonkam. Die Gäste standen in der Schlussphase zwar in der einen oder anderen Situation etwas zu tief, blieben aber bei den schnell vorgetragenen Kontern stets brandgefährlich. Zunächst war es Timo Gebhart, der vom in dieser Situation zu zögerlichen Savio Nsereko zu spät bedient wurde (65.), und leicht bedrängt, knapp verzog. Danach hatte der Gast zweimal die Möglichkeit das Spiel für sich zu entscheiden, doch erst scheiterte Benjamin Kauffmann, als er auf links allein Richtung VfB-Gehäuse zuzog, dann aber überhastet mit seinem schwächeren Bein abschloss (72.) Wenige Sekunden später segelte das von Savio Nsereko von rechts geflankte runde Leder in den VfB-Strafraum, wo Sven Bender völlig unbedrängt aus gut acht Metern Entfernung den Ball per Kopf annimmt, VfB-Keeper Ulreich jedoch ohne große Mühe hält. So kam es wie es kommen musste. Eine einzige Unaufmerksamkeit im zweiten Durchgang nutzte der VfB zum überraschenden Ausgleich. Telmo Teixeira-Rebelo setzte sich auf links, vorbei an zwei Löwenverteidigern, bis knapp an die Torauslinie durch, flankte nach innen, wo der eingewechselte Saban Ismaili das Leder mit dem Kopf leicht streift und dieses an Freund und Feind vorbei urplötzlich und überraschend neben dem Pfosten im Löwennetz zappelt. Der Spielverlauf war sechs Minuten vor dem Ende gänzlich auf den Kopf gestellt; die Löwen davon aber keineswegs geschockt. Selbst in der verbleibenden Spielzeit hatten sie noch ein zwei gute Chancen, wenngleich nicht mehr so gravierend, wie in den beiden Situationen unmittelbar vor dem bitteren Ausgleich.
Nach dem 1:1 und einer sehr guten zweiten Hälfte im Vorspiel hatten die Löwen in Stuttgart beim Rückrundenmatch sogar beide Abschnitte klar bestimmt, waren aber nun ebenso wie der VfB im Elfmeterschießen einzig dem Glück ausgeliefert. Löwentrainer Schellenberg hatte alle Mühe fünf Schützen zusammenzubekommen. Nachdem gleich der erste Schütze der Löwen, der ansonsten stets sichere Alexander Eberlein, zwar den Keeper versetzt hatte, das Leder aber um Zentimeter neben den Pfosten setzte, und anschließend alle neun weiteren Schützen verwandelten, waren die Löwen äußerst unglücklich aus der Deutschen Meisterschaft ausgeschieden – kaum dass sie so richtig begonnen hatte.
VfB-U17-Coach Frank Leicht sagte zum Einzug seiner Elf in die Vorschlussrunde: "Es war heute ein weitgehend ausgeglichenes Spiel mit wenig klaren Chancen. 1860 hat es nach dem 1:0 verpasst, bei einer klaren Kopfballchance für die Vorentscheidung zu sorgen. Im Gegenzug haben wir dann zum Ausgleich getroffen und im Elfmeterschießen die besseren Nerven gehabt. Heute waren wir die glücklichere Mannschaft, aber ich denke, dass unser Weiterkommen in der Summe beider Partien verdient war." Sein Pendant auf Löwenseite, Wolfgang Schellenberg wollte ihm da doch energisch widersprechen: "In der gesamten Saison hatte kein Team annähernd so viele Chancen gegen den VfB, wie wir in drei Halbzeiten des Viertelfinales". Schellenberg hatte viel Lob für sein Team, dass er als "unglücklichen Verlierer", dafür aber aufgrund des erneuten Einsatzes von sieben Jungjahrgängen, als "Team dem die Zukunft gehört" bezeichnete. Selbst VfB-Jugendleiter Frieder Schrof, seit 1983 im Einsatz und in vielen Endrunden mit dabei, gab danach zu, dass er "sieben, acht Minuten vor dem Ende nicht mehr mit dem Halbfinaleinzug gerechnet hatte". Zu bestimmend hatten die Löwen agiert, während der VfB auf der gesamten Linie insbesondere spielerisch enttäuschte. So sah es auch DFB-U16-Coach Bernd Stöber, der insbesondere bei den Löwen, den ein oder anderen entdeckte, den er so noch nicht kannte.
Einen besonderen Dank statten die Junglöwen nach dem Spiel ihren treuen Fans ab. Von den Fanclubs waren eigens die "Stutensee-Löwen" angereist und auch Fritz Fehling hatte es sich nicht nehmen lassen, die Reise nach Stuttgart anzutreten. Worte des Trostes fand später in der Kabine 1860-Vizepräsident Wolfgang Hauner, der meinte: "Ihr könnt hier hocherhobenen Hauptes die Anreise antreten, denn ihr habt die Löwen über die gesamte Saison hinweg würdig vertreten und wart heute das eindeutig bessere, leider aber unglücklichere Team. Voller stolz kann die U17 auf die gesamte Saison und insbesondere die beiden Viertelfinalespiele zurückblicken, in denen man den favorisierten VfB mehr als an den Rand einer Niederlage gebracht hatte."
TSV 1860: Rössl, Baumgartlinger (14. Wittek/46. Kauffmann), Jungwirth, Ratei, Schick, Bender Lars, Bender Sven, Gebhart, Nsereko, Eberlein, Kaiser (50. Stahl).
wh